Welche Regeln habt ihr in Eurer Offenen Beziehung? – diese Frage wird uns wirklich oft gestellt und deshalb gehe ich gerne drauf ein. Ich schreibe über meine persönliche Sicht. Wenn Du ähnliche Erfahrungen gemacht hast wie ich und wir oder auch wenn Deine Erfahrungen ganz anders sind oder Du Fragen oder Einwände hast, dann schreib mir gern.
Mögliche Regeln
Erst dachte ich: Ne – wir haben keine besonderen Regeln – aber so ein paar Grundregeln lassen sich sicher aufstellen. Ich fasse mal neun Fragen zusammen über die man unbedingt reden sollte bevor man die Beziehung öffnet. Welche Regeln ihr daraus für Eure Offene Beziehung formuliert, müsst Ihr selbst wissen.
Fragen, die ihr euch stellen solltet bevor ihr die Beziehung öffnet:
- Sind beide Partner sind wirklich vom Konzept Offene Beziehung überzeugt und bereit sich drauf einzulassen?
- Einigkeit über Offenheit: Wieviel sagen wir einander?
- Wer ist das Team? Wieviel Gefühle sind ok?
- Wo ist für Euch jeweils die rote Linie. Was wollt Ihr nicht das der jeweils andere macht?
- Wie und bei welchen Techniken wird verhütet? Wozu wollt Ihr einen Test von anderen?
- Wie gehen wir damit um, wenn sich einer plötzlich trotzdem nicht mehr gut fühlt?
- Wo dürfen neue Dates gefunden werden?
- Wie sollen Dates ablaufen? Gibt es bestimmte Tage? Was soll vorher geklärt werden?
- One night Stands oder Daueraffäre?
So handhaben wir es
Die Fragen oben sind wir natürlich zu Beginn durchgegangen und vieles davon haben wir immer wieder neu diskutiert. Eine Offene Beziehung ist für uns nichts was man einmal entscheidet, sondern etwas, das immer wieder neu definiert und festgelegt werden darf und soll. Wir sind uns einig: Wir haben keine Regeln. Regeln klingt nach Einschränkung. Eigentlich ist es einfach die Art wie wir miteinander umgehen: Mit sehr sehr viel Reden. Keiner von uns ist wirklich in der Lage auf Dauer Geheimnisse vor dem anderen zu haben. Wir besprechen eh dauernd und alles miteinander. Deshalb brauchen wir eigentlich keine Regeln. Trotzdem habe ich versucht unsere neun quasi “Leitlinien” zusammenzufassen und meine Gedanken rund um Regeln in der Offenen Beziehung so zu bündeln. Aus den Fragen oben kann ich für also folgende Regeln ableiten:
- Regel: Beide Partner müssen überzeugt sein
Es kann verschiedene Gründe für das Öffnen einer Beziehung geben. Wir hatten einfach beide das Bedürfnis unseren Horizont zu erweitern.
Nicht immer sind beide Partner so richtig überzeugt. Wir haben am Anfang schon ein bisschen hin und her überlegt. Unser Leben war ja gut – auch in monogam. Trotzdem: Wir waren uns gemeinsam sicher, dass wir es versuchen wollen und dass wir es jederzeit aufhören, wenn es uns doch nicht mehr taugt. Und dass wir einander nicht böse sind, wenn einer doch was macht, das der andere im Nachhinein nicht so toll fand. Das war schon mutig, weil man sich natürlich nicht versprechen kann, nicht sauer zu sein. Aber trotzdem: Wir waren uns gemeinsam sicher, dass wir reinspringen wollen ins Abenteuer und dass es uns nur zusammen Spaß macht. Wir waren uns sicher: Wenn es nichts wird, dann haben wir später wenigstens was zu lachen.
2. Regel: Wir sagen uns alles was der andere wissen will
Wenn ich mit jemand neuem chatte erzähle ich es meinem Mann. Genauso, wenn ich eine neue Dating-App ausprobiere. Wenn ich grad das Gefühl habe, er schreibt sehr viel mit seiner Freundin, dann frag ich danach. Wir dürfen auch jeweils in die Handys des anderen schauen und nachlesen. Ich habe das am Anfang viel gemacht. Er hat auch eine ganze Weile mitgelesen bei meinen Unterhaltungen. Heute machen wir das so exzessiv nicht mehr, weil es uns einfach nicht sonderlich interessiert. Aber nach wie vor gilt: Was einer von uns wissen will beantwortet der andere wahrheitsgemäß. Wenn es was besonderes gibt, dann wird es auch ohne Aufforderung erzählt. Egal ob es dabei um Sextechniken, um Unterhaltungen oder um Gefühle geht. Verheimlichen ist Gift für uns. Das ist unser Weg. Andere Paare wollen weniger voneinander wissen. Das kann natürlich gut klappen. Aber eben nur, wenn es klar kommuniziert ist.
3. Regel: Wir sind das Team
Für mich ist das eine der wirklich grundlegenden Regeln. Wer die verinnerlicht hat, für den sind alle anderen Regeln eigentlich von selbst erfüllt. Mein Mann und ich sind das Team. Keiner von uns heckt zusammen mit jemand anderem hinter unserem Rücken etwas aus. Wir beide und unsere Familie sind das wichtigste. Dass es uns beiden gut geht, steht im Fokus. Andere Menschen und ihr Wohlergehen können nie so wichtig sein. Wir beide sind das Fundament. Alle anderen sind vielleicht austauschbar. Wir sind es füreinander nicht.
4. Regel: Grenzen festlegen
Nur weil man sich gegenseitig die Freiheit gibt auch sexuelle Erfahrungen mit anderen Menschen zu machen, heißt das nicht gleich, dass man sich gegenseitig grenzenlos alles “erlaubt”. Manche Sachen kann ich gar nicht richtig begründen und sie sind mir trotzdem unangenehm. Da kann es um bestimmte Techniken beim Sex gehen aber auch um anderes. Ich bin zum Beispiel schon ein paar Mal gefragt worden, ob es denn ok ist, wenn wir uns küssen. Für uns ist küssen absolut in Ordnung.
Meine persönliche Grenze ist, dass ich nicht will, dass mein Mann mit einer anderen Frau beim Blowjob kommt und auch Analsex ist nicht ok für mich mit einer anderen. Ich kann es nicht begründen. Es ist einfach so. Wenn ihm eines davon sehr wichtig wäre, könnten wir neu drüber reden. Aber nachdem es kein besonderes Problem ist auf beides zu verzichten, tun wir es einfach. Wenn ich meine Grenzen nicht so klar festgelegt hätte, hätte es mich jedesmal traurig gemacht, wenn er eines der Dinge gemacht hätte.
5. Regel: Verhütung
Niemals ohne Kondom, das sollte feststehen. Aber auch das Kondom schützt nicht vor allem. Fragen wie: Benutzen wir für Blowjobs ein Kondom? Wie sieht es mit Lecktüchern aus? Und so weiter müssen geklärt werden. Natürlich geht es den festen Partner etwas an wie wir mit anderen Menschen verhüten. Denn falls sich einer mit irgendwas ansteckt, hängen natürlich beide drin. Einmal haben wir in der Vergangenheit auch von jemandem einen Test auf sexuell übertragbare Krankheiten verlangt. Auch das kann wirklich Sinn machen. So ein Test geht anonym im Gesundheitsamt und tut überhaupt nicht weh.
6. Regel: Wenn einer nicht mehr mag, dann ist das in Ordnung
Eine Offene Beziehung und der Sex mit Anderen kann ganz wunderbar sein. Aber es gibt auch einige Tücken. Nicht immer fühlt es sich frei und unbeschwert an. Ganz oft gibt es auch Phasen, in denen ich an allem zweifle. Wenn ich mal wieder down bin, weil ich das Gefühl habe, dass es einfach mit niemandem ausreichend gut passt. Oder wenn ich es einfach nicht ertragen kann, wie ihn die Nachricht einer Frau zum Lächeln bringt. Unsere Abmachung hierzu ist klar: Wenn einer von uns sagt, dass wir aufhören, dass wir uns wieder nur aufeinander konzentrieren: Dann machen wir das – ohne nachtragend zu sein.
Egal ob Eifersucht der Grund ist oder etwas anderes. Ganz leicht wird das sicherlich nicht, denn wir sind beide mittlerweile einfach tief drin und Dinge lassen sich nicht ungeschehen machen. Aber wir sind trotzdem zuversichtlich. Wir stehen für einander an erster Stelle und wenn sich einer nicht mehr gut fühlt mit dieser Art zu leben, dann wird es dem anderen auch nicht mehr gutgehen damit. Aber das ist alles Theorie. Wir haben es intensiv besprochen. Mehr Vorbereitung geht grade nicht;-)
7. Regel: Gemeinsam auf der Suche nach neuen Dates
Die meisten meiner Verabredungen finde ich über Tinder. Natürlich erzähle ich meinem Mann nicht von jedem einzelnen Match, aber wenn sich interessante Gespräche entwickeln, ich vielleicht mal mit jemandem telefoniere und so weiter, dann bereden wir zusammen, ob ein Date in Frage kommt. Wir besprechen dann genau was bei diesem Date passiert. Wenn mein Mann jemanden kennenlernt ist es genauso: Wir reden vorher viel darüber und klären unsere Grenzen nochmal neu. Erst wenn wir uns einig sind, kommt ein Date tatsächlich in Frage.
8. Regel: Ablauf der Dates
Da sind wir tatsächlich sehr entspannt und frei. Nur bei der Uhrzeit halten wir uns gerne an einen festen Rahmen. Wir legen vorher gemeinsam fest wie lange wir irgendwo bleiben. Und so kommt es dann auch. Und auch sonst machen wir gemeinsam aus, was passieren könnte. Bisher hat sich noch niemand von uns mit einem Date bei uns zu Hause getroffen. Das wollen wir auch so belassen. Unser Bett, unsere Couch, unser Haus – das wollen wir gerne nur für uns behalten.
9. Regel: Wir bevorzugen Daueraffären
Ich weiß, dass das ein sehr umstrittener Punkt ist. Manche haben Angst, dass sich leicht Gefühle entwickeln, wenn man sich mit jemandem mehrmals trifft. Ich sehe das etwas anders. Wenn mein Mann zu seiner Freundin geht, weiß ich was dort passiert. Die Fronten sind geklärt. Das macht mir ein gutes Gefühl. Ich find es aber genauso nachvollziehbar eher One-Night-Stands für den Partner zu bevorzugen. Hauptsache ihr beide seid Euch einig. Klärt für Euch: Wieviel Gefühle anderen gegenüber sind für Euch ok? Geht es Euch jeweils nur um den sexuellen Kick? Oder ist gerade eine gewisse Verbundenheit zu einem anderen Menschen das, was ihr sucht? Grundsätzlich ist fast alles denkbar.
Regeln als Gesprächsgrundlage
Es macht keinen Sinn unsere Regeln einfach zu übernehmen. Aber es macht wirklich Sinn mindestens die Themen oben mal ausführlich zu diskutieren. Wer sich gemeinsam als Paar entscheidet seine Beziehung zu öffnen, der braucht ein starkes Fundament. Und das hält nur mit Vertrauen und einer festen Verbindung.
Hallo und vielen Dank für deinen Artikel.
Wie steht ihr dazu, den anderen Sexualpartner kennenzulernen? Ist es besser oder schwieriger, ihn zu kennen?
VG
Sylvana
Ich fände es irgendwie schön sie kennenzulernen. Aber ich glaube, dass es für sie irgendwie komisch wäre. Und im Endeffekt ist es uns auch nicht wichtig. Umgekehrt will ich lieber, dass mein Mann die anderen Männer nicht kennt. Vermutlich würde es ihm schwerfallen sich nicht als Alpha zu präsentieren. Und das wäre für mich irgendwie unangenehm.