Unsere Offene Beziehung, unser Leben in einer vielleicht sogar polyamoren Beziehung bringt uns an immer wieder neue Stellen. So unfassbar viele Gefühle spielen immer wieder mit rein. Am Anfang dachte wir es ginge darum Sex mit anderen zu haben und eben damit klarzukommen, dass es der Partner auch so macht. Doch die Palette an Gefühlen ist so immens groß und vor allem vielfältig. Ich versuche das mal für mich selbst und vielleicht auch für Dich etwas aufzudröseln. Schreib mir gerne unten ergänzende Gedanken, wenn Dir etwas auffällt.
Ich stelle außerdem aus unserer Gefühlswelt ein paar Beispiele dazu.
1. Yippie – Sexgefühle
Sex mit Anderen. Darum geht es ja irgendwie im Kern in der Offenen Beziehung. Sex mit anderen in der Offenen Beziehung ist für mich wunderbar frei und ungezwungen. So völlig losgelöst von irgendwelchen Zukunftsplänen und Ansprüchen. Ich mag das. Ich kann mich fallen lassen und ich habe gelernt, dass ich niemandem gefallen muss außer mir selbst. Das ist wunderbar. Der Sex mit anderen ist so voller Feuer und Leidenschaft, voller Knistern und neuen Berührungen. nicht besser oder schlechter als Sex in einer langen Beziehung. Nur einfach völlig anders.
2. Enttäuschung
Ja. Die gibt es auch. Manchmal ist Sex mit anderen nämlich auch langweilig, oder ein Mensch bei dem man beim Schreiben echt ein gutes Gefühl hatte, entpuppt sich als Langweiler oder aber ein Date platzt plötzlich und jemand meldet sich nicht mehr – ohne ersichtlichen Grund. Und manchmal war ich im letzten Jahr auch enttäuscht, weil mein Mann schnell eine Freundin hatte – und ich einfach nicht die passende Person gefunden habe.
3. Zerrissenheit
Ich weiß, dass ich diese Art der Beziehung will und dennoch schmerzt es manchmal punktuell. Ich fühl mich zerrissen zwischen dem Wunsch nach einfach Ruhe und danach, dass jeder Sex mit mir einfach sein bester Sex ist. Diese Sicherheit in einer monogamen Beziehung ist natürlich super und sehr erfüllend. Und gleichzeitig liebe ich diese Lebendigkeit unserer jetzigen Lebenssituation sehr.
4. Gefühle von Freiheit
Ich war schon immer gerne mit meinem Mann verheiratet. Aber gleichzeitig hatte ich auch oft dieses Gefühl von: Was verpass ich da grade in der Welt? Wohin würde es führen, wenn ich mit xy flirten würde? Ich hab manchmal gedacht ich würde so gerne nochmal das Kribbeln vor dem ersten Kuss spüren. Ich hab immer so gerne geflirtet. Einen anderen Mann verführen oder verführt werden: Das ist einfach ein schönes Gefühl. Begehrt werden ist etwas Tolles. Ich dachte lange ich müsste mich da entscheiden: Mit meinem Mann leben oder nochmal einen anderen Mann spüren. Heute habe ich diesen unfassbaren Luxus: Ich muss mich gar nicht entscheiden. Ich kann das einfach beides haben. In den ersten Monaten wollte ich am liebsten dauernd jemanden treffen. Mittlerweile nicht mehr. Aber die Chance zu haben und es jederzeit zu “dürfen”: Das ist einfach wunderbar!
5. Wunderbares Zusammenwachsen
Wir waren uns tatsächlich in unserer Beziehung noch nie so nah wie durch diese vielen Gespräche. Wir haben uns gemeinsam so stark entwickelt, sind über Grenzen gegangen und haben in größtem Vertrauen miteinander diesen Weg gemacht. Ich glaube nicht, dass ich mit einem anderen Mann so nochmal leben könnte. Es braucht sehr viel Vertrauen und Loyalität.
6. Eifersucht
Eifersucht ist das Gefühl, das sich die meisten, die über ein Öffnen der Beziehung nachdenken noch gut vorstellen können. Es ist ein komplexes Gefühl. Meistens werden darunter sogar mehrere Gefühle zusammengefasst auf die ich unten noch näher eingehe. Eifersüchtig zu sein bedeutet, dass man das Gefühl hat der Partner würde einem anderen Menschen mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung usw. zukommen lassen. Ich habe der Eifersucht einen ganzen Artikel gewidmet: “Eifersucht in der Offenen Beziehung“. Die Eifersucht ist ein sehr diffuses Gefühl. Aus meiner Sicht macht es Sinn, sie vielleicht durch eine der folgenden Gefühle genauer zu benennen.
7. Bedrückende Gefühle durch Aufrechnen
“Wer hat wann mit wem wie lange Sex gehabt? Wie viele Orgasmen hatte wer mit wem?”
All diese Vergleiche sind schwierig und auch irgendwie nicht zielführend. Trotzdem kommt der Gedanke manchmal hoch. Wir wollten am Anfang gerne, dass möglichst immer Gleichstand herrscht. Doch schnell zeigte sich: Das geht gar nicht. Denn vielleicht suchen wir beide bei anderen Unterschiedliches, vielleicht haben die Parteien außerhalb unserer Zweierbeziehung auch unterschiedliche Vorstellungen und so weiter. Ich habe viel seltener Dates als mein Mann. Er trifft dafür fast immer dieselbe Frau. Was ist jetzt mehr “wert”? Die Freundin meines Mannes hat auch ganz sicher (aktuell) mit ihm mehr Orgasmen als ich. Aber jetzt zu erzwingen, dass ich häufiger komme als sie, wäre ja auch irgendwie widersinnig. Ein Orgasmus aus Prinzip. Wenn ich es so ausdrücke kommt es mir komisch vor. Trotzdem ist dieses bedrückende Gefühl des Aufrechnens irgendwie präsent.
8. Verletzter Stolz
“Sie kann offenbar besser blasen als ich – dann kann ich es ja gleich lassen…”
Vor solchen Gedanken hab ich oft Angst. Das hat wenig damit zu tun, dass ich mich für die Tollste und Beste halte, sondern mit etwas ganz anderem: Klar haben mein Mann und ich uns in unserem Leben schon oft gesagt, und auch gefühlt, dass es zwischen uns besonders ist. Wir haben den Sex zwischen uns perfekt aufeinander abgestimmt. Wir sind aufeinander eingegangen und wissen was wir gegenseitig mögen. Dabei haben wir uns beide natürlich viel Mühe gegeben. Wenn jetzt eine andere Frau kommt und irgendwas mit ihr toller ist als mit mir, dann trifft mich das. Mit diesem Gefühl muss ich umgehen, denn natürlich sind mit ihr Sachen besser als mit mir. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten damit positiv umzugehen:
- Entweder ich kann es abhaken: “Sie bläst besser als ich? Dann ist das eben so. Vielleicht ist es ja auch das besondere Setting. Unser Sex wird ja nicht schlechter, bloß weil sie eine Sache gut kann.”
- Oder ich kann daraus lernen und nachfragen. So könnten wir unsere eigene Technik ja auch noch verbessern: “Sie macht beim Blasen etwas mit ihrer Zunge, das Du besonders magst? Versuch doch mir es genauer zu beschreiben, vielleicht krieg ich es ja auch so hin.”
Blasen ist hierbei natürlich nur ein Beispiel;-)
10. Verlustangst
“Zu Hause ist nur Zickerei und bei ihr kriegt er das rundum Sorglos Paket – vielleicht wird er mich ihretwegen verlassen?”
Manchmal ist Verlustangst ja durchaus nachvollziehbar und manchmal ist sie auch gerechtfertigt. Da hilft nur eins: Drüber reden. Denn es ist doch so: Mit niemandem ist Alltag immer einfach. Ich persönlich glaube nicht daran, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mein Mann mich verlässt steigt, wenn er mit einer anderen Frau schläft. Menschen haben sich schon in der Schlange beim Bäcker neu verliebt – das kann immer passieren. Je besser er sie kennt, umso mehr wird eigentlich klar, dass es mit jemand anderem auch nicht dauernd rote Rosen regnet. Trotzdem: Ich kann total nachfühlen, dass Menschen Verlustängste haben. Darüber und was vielleicht wirklich fehlt, sollten Partner offen reden können.
11. Mono-Glaubenssätze in Poly-Konstellationen
“Warum will er mit ihr schlafen. Er hat doch mich!”
Glaubenssätze wie diese sind echt Gift. In einer Konstellation in der Partner mit mehreren Menschen Sex haben, ist es gefährlich zu vergleichen und aufzurechnen. Am oberen Beispiel bei uns: Natürlich strengt er sich bei ihr mehr an. Aber nicht, weil er sie lieber hat als mich oder ich weniger wichtig bin, sondern weil es bei mir auch einfach nicht nötig ist. Jede Beziehung hat ihre eigene Dynamik und ihre eigenen Gefühle. Die werden nicht weniger, wenn man sie teilt. Es schadet bestimmt nicht, einander diese Gefühle mitzuteilen. Aber eben ohne Vorwürfe. Vielleicht macht es ja auch Spaß sich wieder etwas mehr umeinander zu bemühen.
12. Einander gönnen können
Das ist eines der wirklich guten Gefühle in der Offenen Beziehung. Ich mag es meinen Mann beim Sex mit einer anderen Frau zu sehen oder noch mehr: Zu sehen wie sie es mag: Das liebe ich einfach. Ich freu mich wirklich für ihn, wenn er bei seiner Freundin ist und ganz aufgeladen und voller Energie nach Hause kommt. Wie nach einem Kurzurlaub mit Selbstbewusstseinsbooster. Ich kann es ihm gönnen, weil ich es mittlerweile als das sehen kann was es ist: Etwas das ihm gut tut und mit mir absolut gar nichts zu tun hat. Im Gegenteil: Durch jedes Gönnen können, wird das Band zwischen uns stärker. Wir werden immer mehr zu einer Einheit.
13. Abstumpfen
Am Anfang hat mein Mann die Geschichten über Sex mit anderen geliebt. Es war so verboten und verrucht und das hat ihn angemacht. Zwischenzeitlich ist es irgendwie nichts besonderes mehr. Ich bin vor Dates nicht mehr so aufgeregt, es hat nicht mehr die Besonderheit wie bei den ersten Malen. Es ist ein langer Prozess. Aber ich kann sagen, dass Abstumpfen gar nichts schlechtes sein muss. Alles was man oft tut, verliert seinen Reiz. Dafür gewinnt man Sicherheit. Lies meinen ausführlichen Artikel über das Abstumpfen gerne hier, wenn Du magst.
14. Sorge um Reaktionen
Wir haben Kinder. Natürlich habe ich Angst davor, dass die Eltern ihrer Freunde über uns reden und die Kinder sich rechtfertigen müssen, weil unser Lebensstil von dem anderer Eltern abweicht. Unseren Kindern haben wir unseren Lebensstil noch nicht erklärt. Für sie ist es eben so, dass wir zu Freunden gehen, wenn wir für Dates das Haus verlassen. Sie kommen mit den weiteren Partnerpersonen ja auch nicht in Berührung. Sie kennen bisher keine davon. Ich weiß nicht wie das in Zukunft weitergeht. Wir werden versuchen ihnen alles wahrheitsgemäß zu erklären. Ob sie es verstehen werden und wie sie das gegebenenfalls nach außen kommunizieren, das werden wir sehen.
Mit den Gefühlen umgehen
Das ist herausfordernd für uns aber auch das Schöne daran: Wir arbeiten unsere Gefühle immer wieder auf. Niemand darf für seine Gefühle verurteilt werden. Alle Gefühle sind richtig und wichtig. Nur wenn ich das Gefühl habe, dass ich wirklich sagen darf, was mich bewegt, was mich umtreibt und was ich will, ohne verurteilt zu werden, kann ich mich auch wirklich fallen lassen. Mein zu Hause muss mein absoluter Safe Space sein. Für mich und uns kann die Offene Beziehung nur mit diesem Gefühl der absoluten Sicherheit klappen.
So viele Gefühle & Gedanken – die aber wie immer mal wieder nur die betreffen, die Ihrer Paarbeziehung eine neue Exklusivität geben wollen. Es stehen die im Hauptgrund, die die Regeln aufstellen, die beschließen was geht und was nicht, wo Anfang und Ende ist!
Aber was ist eigentlich mit den Mitspielern? Was haben diese für Gründe in einem relativ delikaten Kontext mitzuwirken? Neugierde, nur Sex, ausprobieren – aber was hält sie daran? Was empfinden Sie dabei über längere Zeit nur als Randfigur mitzuwirken? Und zwar dann wenn die Anfangs Euphorie aus dem Kopf gevögelt ist & es über Sex hinausgeht, Reden im Bett, Kuscheln danach, Händchen halten wenn wir uns sehen? Geht das? Klar, es war alles abgematcht!
Ausgemacht, die Regeln waren bekannt, schwirren ständig im Kopf! Habe ich als Mitspieler überhaupt irgendwo Recht? Was ist wenn ich doch auf einmal mehr fühle? Bin ich still – bis ich es hinaus schreien muss, auch auf die Gefahr hin alles was ich hatte innerhalb kürzester Zeit zu verlieren? Das einzige zu verlieren, was mich in letzter Zeit lebendig gemacht hat. . . Kann ich überhaupt noch was fühlen? Darf ich was fühlen?
Was macht es eigentlich mit einem wenn man in ein kein so tolles Beziehungskonstrukt zurück kehrt, in keinem warmen Nestchen von seinen Abenteuern erzählen kann? Nicht aufgefangen wir von seiner Haupt Beziehung, in keinem so tollen Alltag ankommen kann! Macht es einen nicht noch einsamer als man davor war? Wird man nicht noch verletzlicher? Ist man die Falsche für so ein Spiel auch wenn diese geschenkten Stunden sich so gut anfühlen und noch Tage lang danach auf der Haut brennen?
Aber hängt das nicht alles schon zu sehr mit Gefühlen zusammen – denn stimmt, fühlen ist nicht erlaubt . . .
Take it – or leave it?
Das ist tatsächlich natürlich ein ergänzender Aspekt. Viele Menschen stellen sich diese Rolle sehr einfach vor. Ich habe in meinen Beziehungen jedenfalls nicht erst einmal erfahren, dass die Rolle desjenigen in der “Zweitbeziehung” alles andere als einfach sein kann. In unserem Konstrukt versuchen wir, dass jeder die Vorteile seiner Situation sieht. Die Freundin meines Mannes kann das sehr gut. Sie sagt – und ich nehme ihr das ab – dass sie gerne alleine lebt und es für sie die Ideallösung ist, jemanden verlässlich im Leben zu haben, der aber nicht Familie und so weiter mit ihr will. Sie artikuliert ihre Bedürfnisse und wir versuchen sie zu sehen. Ihr verstehe und es ist mir wichtig, dass er auch ihre Wünschen und Ansprüchen gerecht werden will.
Es fühlt da einfach jeder natürlich sehr anders. Und die Absprachen sind überall anders. Fühlen ist btw nichts was man erlauben oder verbieten kann. Liebe Grüße
Kiki